Etwas über unsere Tänze . . . . .

Die Turniertänze

In den ersten 30 Jahren des Tanzsports (bis etwa 1930) war es üblich, neben den etablierten Tänzen jeweils auch die neuesten Modetänze zu zeigen. Auf der ersten "Weltmeisterschaft" 1909 in Paris standen sogar ausschließlich die neuen Tänze auf dem Programm: Boston, Turkey Trot, Ragtime, Onestep, Grizzly Bear. Auch bei den Deutschen Meisterschaften wurde mit neuen Tänzen experimentiert.
Erstmals unter den heutigen Namen wurden bei einer Deutschen Meisterschaft der Langsame Walzer ("English Waltz") 1927, der "Slow Foxtrot" 1928 und die Rumba 1932 (und 1949) getanzt. Auch in den 50er Jahren wurden (vor der Trennung in Standard und Latein) zusätzlich zu den "Standardtänzen" hin und wieder Samba oder Rumba geboten bzw. verlangt. Die Rumba wurde auf deutschen Profi-Turnieren schon ab 1950 als sogenannter "sechster Standardtanz" zugelassen.
Seit 1958 wurden drei Arten von Turnieren durchgeführt: Allround (Kombination) mit 8, Standard mit 5, Lateinamerikanisch mit 4 Tänzen. Der Tango war dabei (als vierter Tanz bei den Lateinturnieren) in allen drei Sparten vertreten. Erst 1961 wurde Klarheit geschaffen: der Tango gehörte von nun an endgültig auf Wunsch der Engländer zu den fünf Standardtänzen, während der Cha-Cha-Cha zum vierten lateinamerikanischen Tanz erklärt wurde. Bei der ersten offiziellen Deutschen Meisterschaft Latein 1962 wurde der Cha-Cha-Cha getanzt. Der Jive kam bei den Profis 1968 und bei den Amateuren 1973 als fünfter Lateintanz hinzu.
Aus: Wörterbuch des Tanzsports, Kastell-Verlag





Tanz und Ausdruck

Jedem Turniertanz kann man einen bestimmten Ausdruck zuordnen, der sich im Schlagwort zusammenfassen läßt.



Standard



Langsamer Walzer - Genuß
Tango- Kraft
Wiener Walzer - Beschwingtheit
Slowfox - Souveränität
Quickstep - Spritzigkeit




Latein



Samba - Dynamik
Rumba - Sehnsucht
Cha-Cha-Cha - Koketterie
Paso Doble - Stolz
Jive - Ausgelassenheit





Die Standardtänze

Langsamer Walzer
(3/4-Takt, 30 Takte p. Min.). Der Langsame Walzer entwickelte sich in den 20er Jahren in England aus dem Boston und heißt daher auch (English) Waltz. Die linearen Bewegungen des Boston verwandelten sich dabei in raumgreifende Drehungen, in denen das Paar wie ein Pendel von Höhepunkt zu Höhepunkt schwingt. Der Langsame Walzer gilt als der schwierigste Standardtanz und ist auch der meistgeübte. Das weiche Ein- und Ausschwingen zur schmelzenden Musik klassischer Waltz Melodien macht ihn zum "Tanz des Herzens".

Tango
(2/4-Takt oder auch 4/4 Takt, 33 Takte p. Min.) Der Tango stammt aus Argentinien und ist, dem Stakkato der Musik entsprechend, geprägt vom Wechsel zwischen Aktion und Pause. Die "ruckartigen Aktionen" (von knappen und schnellen Kopfbewegungen begleitete Schritte) werden im Knie weich abgefangen, was dem Tango das Doppelgesicht verhaltener Leidenschaftlichkeit gibt. Die "gehaltenen Pausen" verhindern "Körperschwung" und damit verbundene Hebungen und Neigungen.

Wiener Walzer
(3/4-Takt, 60 Takte p. Min.) Der Wiener Walzer ist mit seinen Varianten (z. B. dem Ländler) ein uralter, vor allem im Alpenraum beheimateter Volkstanz, der wegen seiner "Ungezügeltheit" oft bekämpft wurde. Am preußischen Hof wurde er 1794 verboten, während er 20 Jahre später auf dem Wiener Konreß Triumphe feierte. In Deutschland wurde er 1932 ins Turnierprogramm aufgenommen. Sein Reiz liegt nicht im Figurenmaterial, sondern im berauschenden Körperschwung.

Slow Foxtrot
(4/4-Takt, 30 Takte p. Min.) Der Slow Foxtrott entstand um 1900 aus dem Ragtime und amerikanischer Marschmusik und entwickelte sich zum Klassiker unter den "englischen Tänzen". Die linearen Schrittmuster, auf natürlicher Gehbewegung basierend, wirken bei kunstvoller musikalischer Interpretation und lässigem "Understatement" faszinierend. Dem kontinuierlichen Bewegungsfluß entsprechend, sind "fließende Posen" besonders "foxy".

Quickstep
(4/4-Takt, 52 Takte p. Min.) Der Quickstep entstand Mitte der 20er Jahre, als parallel zum Onestep das Tempo des Foxtrotts beschleunigt wurde. Im Gegensatz zum Langsamen Walzer, mit dem ihn geschlossene Drehungen und Chasses verbinden, ist der Quickstep dadurch charakterisiert, daß die Körpergeschwindigkeit bei Slow fast die gleiche ist wie bei Quick oder bei besonders schnellen Schrittfolgen. In der Familie der Standardtänze gilt er als "der Sekt unter den Weinen": perlend in seinen langgestreckten Bewegungen und spritzig in seinen Hüpfschritten.





Die Lateintänze


Samba
(2/4-Takt, 54 Takte p. Min.) Die Samba stammt in ihrer stationären Grundform aus Brasilien bzw. aus uralten Kreistänzen der Bantu-Neger und wurde in Europa zum variationsreichen Turniertanz entwickelt. In Wiegeschritten und Voltadrehungen, Rollen und Promenadenläufen bewegen sich die Paare wellenförmig durch den Raum. Während die Wellenbewegung früher aus einem Erheben im Bein (Bounce) entstand, wird sie heute mehr durch die Bauchmuskulatur erzeugt.

Cha Cha Cha
(/4-Takt, 32 Takte p. Min.) Der Cha-Cha-Cha stammt aus Kuba. Er wurde von Enrique Jorrin (u.a.) aus dem Mambo entwi-
ckelt und 1957 von Gerd und Traute Hädrich nach Deutschland importiert. Der Cha-Cha hat viele Elemente aus anderen Tänzen in sich aufgenommen, besonders aus Jazz, Beat und Disco. Seinen Grundcharakter, der ihn bei allen Altersstufen zum beliebtesten Lateintanz machte, hat er dabei nicht verloren: Im Cha-Cha kommen übermütige Ausgelassenheit und koketter Flirt zum Ausdruck.

Rumba
(4/4-Takt, 28 Takte p. Min.). Die Rumba stammt aus dem Mambo-Bolero und ist mit der Habanera verwandt. Sie ist ein afrokubanischer Werbungstanz: Die Dame schwankt zwischen Hingabe und Flucht und der Herr zwischen "Zuneigung" und "Selbst-herrlichkeit". In Deutschland wurde die Rumba 1932 ins Turnierprogramm aufgenommen. Sie ist der Klassiker unter den Lateintänzen, erfordert Ausdruckskraft und Sparsamkeit der Mittel.

Paso Doble
(2/4-Takt, 62 Takte p. Min.) Der Paso Doble ist eine in Spanien und Frankreich entwickelte Darstellung des Stierkampfs mit Einschluß von Flamenco-Elementen. Die Dame stellt nicht den Stier dar, sondern das rote Tuch des Toreros, Herr und Dame bewegen sich also gemeinsam um einen imaginären Stier. Die Musik ein spanischer Marschtanz, besteht aus einer Einleitung und zwei Hauptteilen mit genau festgelegten Höhepunkten, nach denen sich die Choreographie richtet. Der Tanz erfordert große Präzision und einen durchgehaltenen starken Muskeltonus.

Jive
(4/4-Takt, 44 Takte p. Min.) Der Jive wurde als "Jitterbug" und "Boogie-Woogie" (später auch "Behop") um 1940 von amerikanischen Soldaten nach Europa gebracht, in England zum Jive entwickelt und schließlich in das Turnierprogramm der Lateintänze aufgenommen (Profis national 1968, Amateure national 73, international 76). Mit ihrer Off-Beat-Betonung auf "zwei" und "vier" verrät die Musik ihren afrikanischen Ursprung. Der Jive bringt robuste Lebensfreude zum Ausdruck. Er war der "Tobetanz" der Vor-Beat-Generation, aus dem sich auch der akrobatisch-athletische Rock 'n' Roll entwickelt hat.


Wertungsgebiete (Einzeldisziplinen)

1. Musik
umfaßt das Tanzen eines Paares im Takt und im Grundrhythmus sowie das Bestreben, Musik als Gesamtwerk bewegungsmäßig umzusetzen.

2. Balancen
behandelt die tanztypischen Körperpositionen zueinander und miteinander und deren Wechselwirkung auf die jeweiligen Bewegungsenergien.

3. Bewegungsablauf
beinhaltet die verschiedenen Strukturen von Bewegungselementen und den daraus entstehenden Verknüpfungen.

4. Charakteristik
umfaßt die historische Entwicklung der einzelnen Tänze und beinhaltet außerdem alles, was der Tanzsportler zusätzlich zu den erlernten Fertigkeiten in seinem Bestreben, Musik in Bewegung umzusetzen, zum Ausdruck bringt.
Die Wertungsgebiete sind hierarchisch geordnet: Kann man beispielsweise nach dem Wertungsgebiet 1 - Musik - die tanzenden Paare differenzieren, werden die nachfolgenden Wertungsgebiete nicht berücksichtigt. Wenn alle Paare Takt und Grundrythmus gleichermaßen halten, wird das nächstfolgende Wertungsgebiet herangezogen und so weiter.


Aus: Tanzen in Deutschland, Kastell-Verlag

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